.

Ordnung zur Prävention gegen sexualisierte Gewalt an Minderjährigen und schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen (Präventionsordnung PrävO)

Vom 1. Mai 2022

(KlAnz. 2022, Nr. 45, S. 105)

####

Präambel

Die Verantwortung für die Prävention gegen sexualisierte Gewalt obliegt dem (Erz-)Bischof als Teil seiner Hirtensorge.
Die Prävention ist integraler Bestandteil der kirchlichen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sowie schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen. Ziel der katholischen Kirche und ihrer Caritas ist es, allen Kindern und Jugendlichen sowie schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen, im Geiste des Evangeliums und auf der Basis des christlichen Menschenbildes, einen sicheren Lern- und Lebensraum zu bieten.
In diesem Lern- und Lebensraum müssen menschliche und geistliche Entwicklung gefördert, sowie Würde und Integrität geachtet werden. Dabei soll vor Gewalt, insbesondere vor sexualisierter Gewalt, geschützt werden. Bereits psychische und physische Grenzverletzungen sind zu vermeiden.
Prävention als Grundprinzip professionellen Handelns trägt bei Kindern, Jugendlichen und schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen dazu bei, dass sie in ihrer Entwicklung zu eigenverantwortlichen, glaubens- und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten gestärkt werden. Dabei ist die Sexualität als ein Bereich des menschlichen Lebens zu würdigen: „Gott selbst hat die Geschlechtlichkeit erschaffen, die ein wunderbares Geschenk für seine Geschöpfe ist.“1# In allen Einrichtungen soll sexuelle Bildung Bestandteil der professionellen Arbeit sein, durch die Selbstbestimmung und Selbstschutz der anvertrauten Minderjährigen bzw. schutzoder hilfebedürftigen Erwachsenen gestärkt werden.
Unterschiedliche Bedarfs- und Gefährdungslagen müssen bei allen Präventionsmaßnahmen angemessen berücksichtigt werden. Die Strukturen und Prozesse zur Prävention gegen sexualisierte Gewalt müssen transparent, nachvollziehbar, kontrollierbar und evaluierbar sein. Die Entwicklung und Verwirklichung von Maßnahmen zur Prävention erfolgen partizipativ in Zusammenarbeit mit allen hierfür relevanten Personen und Gruppen. Dazu gehören insbesondere auch die Kinder, Jugendlichen und schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen selbst. Die Erfahrungen von Betroffenen werden dabei besonders berücksichtigt. Ziel von Prävention in Diözesen, Ordensgemeinschaften, neuen geistlichen Gemeinschaften, kirchlichen Bewegungen und Initiativen, sowie in kirchlichen und caritativen Institutionen und Verbänden ist es, eine Kultur des achtsamen Miteinanders zu praktizieren und weiter zu entwickeln.
#

I. Geltungsbereich und Begriffsbestimmungen

###

§ 1
Geltungsbereich

( 1 ) Diese Präventionsordnung gilt für
a.
die (Erz-)Diözese,
b.
die Kirchengemeinden und Kirchenstiftungen,
c.
die Verbände von Kirchengemeinden,
d.
den Diözesancaritasverband und dessen Gliederungen, soweit sie öffentliche juristische Personen des kanonischen Rechts sind,
e.
die sonstigen dem Diözesanbischof unterstellten öffentlichen juristischen Personen des kanonische Rechts,
f.
die sonstigen kirchlichen Rechtsträger, unbeschadet ihrer Rechtsform, die der bischöflichen Gesetzgebungsgewalt unterliegen und deren Einrichtungen.
( 2 ) Kirchliche Rechtsträger, die nicht der bischöflichen Gesetzgebungsgewalt unterliegen, sind aufgefordert, die Präventionsordnung in ihr Statut verbindlich zu übernehmen; sofern ein kirchlicher Rechtsträger in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts über kein Statut verfügt, ist eine notarielle Erklärung der Übernahme und anschließende Veröffentlichung dieser Erklärung ausreichend.
( 3 ) Regelungen dieser Ordnung, die Beschäftigte im kirchlichen Dienst (§ 2 Abs. 2) betreffen, gelten vorbehaltlich ihrer dienst- oder arbeitsrechtlichen Zulässigkeit. Soweit Regelungen dieser Ordnung in den Zuständigkeitsbereich einer arbeitsrechtlichen Kommission im Sinne von Artikel 7 der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse fallen, stehen sie im Zuständigkeitsbereich der Kommission unter dem Vorbehalt der Beschlussfassung durch die Kommission und der Inkraftsetzung des Beschlusses durch den Diözesanbischof. Beschließt die arbeitsrechtliche Kommission für ihren Zuständigkeitsbereich von dieser Ordnung abweichende oder sie ergänzende Regelungen zur Prävention gegen sexualisierte Gewalt an Minderjährigen und schutzoder hilfebedürftigen Erwachsenen, gelten diese Regelungen mit Inkraftsetzung durch den Diözesanbischof.
###

§ 2
Begriffsbestimmungen

( 1 ) Prävention im Sinne dieser Ordnung meint alle Maßnahmen, die vorbeugend (primär), begleitend (sekundär) und nachsorgend (tertiär) gegen sexualisierte Gewalt an Kindern, Jugendlichen und schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen ergriffen werden. Sie richtet sich an Betroffene, an die Einrichtungen mit ihren Verantwortlichen, die in ihrer Tätigkeit Kontakt mit Kindern, Jugendlichen und schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen haben und auch an Beschuldigte/Täter.
( 2 ) Beschäftigte im kirchlichen Dienst im Sinne dieser Ordnung sind insbesondere:
a.
Kleriker und Kandidaten für das Weiheamt,
b.
Ordensangehörige,
c.
Arbeitnehmer/-innen,
d.
zu ihrer Berufsausbildung tätige Personen,
e.
nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz oder dem Jugendfreiwilligendienstgesetz oder in vergleichbaren Diensten tätige Personen sowie Praktikanten/-innen,
f.
Leiharbeitnehmer/-innen und sonstige bei Drittunternehmen angestellte Arbeitnehmer/-innen, Honorarkräfte und Mehraufwandsentschädigungskräfte.
( 3 ) Für ehrenamtlich tätige Personen, inklusive Mandatsträger/-innen im kirchlichen Bereich, gilt diese Ordnung entsprechend.
( 4 ) Der Begriff sexualisierte Gewalt im Sinne dieser Ordnung umfasst sowohl strafbare als auch nicht strafbare sexualbezogene Handlungen und Grenzverletzungen. Sie betrifft alle Verhaltens- und Umgangsweisen (innerhalb und außerhalb des kirchlichen Dienstes) mit sexuellem Bezug gegenüber Kindern, Jugendlichen und schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen, die mit vermeintlicher Einwilligung, ohne Einwilligung oder gegen deren ausdrücklichen Willen erfolgen. Dies umfasst auch alle Handlungen zur Vorbereitung, Durchführung und Geheimhaltung sexualisierter Gewalt.
( 5 ) Strafbare sexualbezogene Handlungen sind Handlungen nach dem 13. Abschnitt des Strafgesetzbuches (StGB) sowie weitere sexualbezogene Straftaten des StGB.
( 6 ) Strafbare sexualbezogene Handlungen nach kirchlichem Recht sind solche nach can. 1395 § 2 CIC in Verbindung mit Art. 6 § 1 SST, nach can. 1387 CIC in Verbindung mit Art. 4 § 1 n. 4 SST wie auch nach Art 4 § 1 n. 1 SST in Verbindung mit can. 1378 § 1 CIC, soweit sie an Minderjährigen oder an Personen, deren Vernunftgebrauch habituell eingeschränkt ist, begangen werden sowie Handlungen nach Art. 1 § 1 a) VELM2#.
( 7 ) Zusätzlich findet sie unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls Anwendung auf Handlungen unterhalb der Schwelle der Strafbarkeit, die im pastoralen oder erzieherischen sowie im betreuenden, beratenden oder pflegenden Umgang mit Kindern, Jugendlichen und schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen eine sexualbezogene Grenzverletzung oder einen sonstigen sexuellen Übergriff darstellen.
( 8 ) Sexuelle Übergriffe passieren nicht zufällig, nicht aus Versehen. Sie unterscheiden sich von Grenzverletzungen durch die Massivität und/oder Häufigkeit der nonverbalen oder verbalen Grenzüberschreitungen.
( 9 ) Schutz- oder hilfebedürftige Erwachsene sind Schutzbefohlene im Sinne des § 225 Abs. 1 des StG3#. Diesen Personen gegenüber tragen Beschäftigte im kirchlichen Dienst eine besondere Verantwortung, entweder, weil sie ihrer Fürsorge und Obhut anvertraut sind oder weil bei ihnen allein aufgrund ihrer Schutz- oder Hilfebedürftigkeit eine besondere Gefährdung im Sinne dieser Ordnung besteht. Weiterhin sind darunter Personen zu verstehen, die einem besonderen Macht- und/oder Abhängigkeitsverhältnis unterworfen sind. Ein solches besonderes Macht- und/oder Abhängigkeitsverhältnis kann auch im seelsorglichen Kontext gegeben sein oder entstehen.
#

II. Institutionelles Schutzkonzept

###

§ 3
Institutionelles Schutzkonzept

( 1 ) Auf der Basis einer Schutz- und Risikoanalyse hat jeder kirchliche Rechtsträger ein institutionelles Schutzkonzept entsprechend den §§ 4-10 zu erstellen. Dem kirchlichen Rechtsträger kommt dabei die Aufgabe zu, den Prozess zu initiieren, zu koordinieren und die Umsetzung zu gewährleisten. Die/Der Präventionsbeauftragte steht bei der Erstellung von institutionellen Schutzkonzepten beratend und unterstützend zur Verfügung.
( 2 ) Alle Bausteine dieses Schutzkonzeptes sind zielgruppengerecht und lebensweltorientiert zu konzipieren. In das institutionelle Schutzkonzept sind die Inhalte der §§ 4-10 der Präventionsordnung (Personalauswahl und -entwicklung, erweitertes Führungszeugnis und Selbstauskunftserklärung, Verhaltenskodex, Beschwerdewege, Qualitätsmanagement, Präventionsschulungen, Maßnahmen zur Stärkung von Minderjährigen und schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen) aufzunehmen.
( 3 ) Schutzkonzepte in Einrichtungen und Diensten werden in Abstimmung mit der diözesanen Koordinationsstelle ausgestaltet (siehe § 11 Abs. 5). Sie sind nicht genehmigungspflichtig, jedoch zur fachlichen Prüfung der Koordinationsstelle zuzuleiten. Geprüft wird, ob die unter Punkt II. (Institutionelles Schutzkonzept) genannten Paragrafen in das Schutzkonzept aufgenommen wurden. Zusätzlich muss deutlich werden, dass eine Schutz- und Risikoanalyse durchgeführt, das Schutzkonzept partizipativ erarbeitet und durch den kirchlichen Rechtsträger in Kraft gesetzt wurde. Mit der Unterschrift übernimmt der kirchliche Rechtsträger die Verantwortung für die Umsetzung und Ausgestaltung des Schutzkonzeptes. Die kirchlichen Rechtsträger erhalten von der Koordinationsstelle eine Rückmeldung zur fachlichen Prüfung.
( 4 ) Das erarbeitete institutionelle Schutzkonzept ist in geeigneter Weise allen Beschäftigten und Ehrenamtlichen in den Einrichtungen, Gremien und sonstigen Gliederungen des kirchlichen Rechtsträgers bekannt zu geben.
###

§ 4
Personalauswahl und –entwicklung

( 1 ) Kirchliche Rechtsträger tragen Verantwortung dafür, dass nur Personen im pastoralen oder erzieherischen sowie im betreuenden, beratenden oder pflegenden Umgang mit Minderjährigen und schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen eingesetzt werden, die neben der erforderlichen fachlichen auch über die persönliche Eignung verfügen.
( 2 ) Die zuständigen Personalverantwortlichen thematisieren die Prävention gegen sexualisierte Gewalt im Vorstellungsgespräch, während der Einarbeitungszeit sowie in regelmäßigen Gesprächen mit den Beschäftigten im kirchlichen Dienst. In der Aus- und Fortbildung ist sie Pflichtthema.
###

§ 5
Erweitertes Führungszeugnis und Selbstauskunftserklärung

( 1 ) Zur Erfüllung ihrer Verpflichtung aus § 4 Abs. 1 haben sich kirchliche Rechtsträger von Personen gemäß § 2 Abs. 2 und 3 bei der Einstellung bzw. Beauftragung und nachfolgend im regelmäßigen Abstand von fünf Jahren entsprechend den gesetzlichen und arbeitsrechtlichen Regelungen, insbesondere des Bundeskinderschutzgesetzes und des Bundesteilhabegesetzes, ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen zu lassen. Die Einsichtnahme ist dauerhaft zu dokumentieren. Die anfallenden Kosten für die Erteilung trägt der kirchliche Rechtsträger. Ausgenommen ist die Kostenübernahme bei Neueinstellungen.
( 2 ) Die kirchlichen Rechtsträger haben von den unter § 2 Abs. 2 genannten Personen einmalig eine Selbstauskunftserklärung einzuholen. Diese enthält Angaben, ob die einzustellende Person wegen einer Straftat gemäß § 72a Abs. 1 SGB VIII verurteilt worden ist und ob insoweit ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren gegen sie eingeleitet worden ist. Darüber hinaus ist die Verpflichtung enthalten, bei Einleitung eines solchen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens dem kirchlichen Rechtsträger hiervon unverzüglich Mitteilung zu machen.
( 3 ) Die Verpflichtung nach vorstehenden Absätzen gilt unabhängig vom Beschäftigungsumfang und Tätigkeitsfeld, insbesondere im Hinblick auf folgende Personengruppen:
a.
Kleriker einschließlich der Kandidaten für das Weiheamt,
b.
Ordensangehörige oder Mitarbeitende in einem Gestellungs- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnis im Jurisdiktionsbereich des (Erz-)Bischofs
c.
Pastoral- und Gemeindereferenten/- innen sowie Anwärter/-innen auf diese Berufe.
( 4 ) Je nach Art, Intensität und Dauer des Kontakts mit Kindern, Jugendlichen und schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen bzw. nach Aufgabe und Einsatz wird von den Verantwortlichen geprüft, ob von Personen gemäß § 2 Abs. 3 eine Selbstauskunftserklärung vorzulegen und zu dokumentieren ist.
( 5 ) Bei der Vereinbarung von Dienstleistungen durch externe Personen oder Firmen oder wenn externen Personen oder Firmen kirchliche Räume überlassen werden, sind diese Regelungen analog anzuwenden.
###

§ 6
Verhaltenskodex

( 1 ) Jeder kirchliche Rechtsträger gewährleistet, dass verbindliche Verhaltensregeln, die ein fachlich adäquates Nähe-Distanz-Verhältnis, einen respektvollen Umgang und eine wert-schätzende Kommunikationskultur gegenüber den Minderjährigen sowie gegenüber schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen sicherstellen, im jeweiligen Arbeitsbereich partizipativ erstellt werden. Jeder kirchliche Rechtsträger gewährleistet darüber hinaus, dass der Verhaltenskodex verbindliche Verhaltensregeln in folgenden Bereichen umfasst:
a.
Sprache und Wortwahl bei Gesprächen,
b.
adäquate Gestaltung von Nähe und Distanz,
c.
Angemessenheit von Körperkontakten,
d.
Beachtung der Intimsphäre,
e.
Zulässigkeit von Geschenken (im Hinblick auf Macht- und Abhängigkeitsverhältnissen),
f.
Umgang mit und Nutzung von Medien und sozialen Netzwerken,
g.
Disziplinierungsmaßnahmen.
( 2 ) Der Verhaltenskodex sowie die Sanktionen bei Nichteinhaltung sind vom kirchlichen Rechtsträger in geeigneter Weise zu veröffentlichen.
( 3 ) Der Verhaltenskodex ist von den Personen gem. § 2 Abs. 2 und 3 durch Unterzeichnung anzuerkennen. Die Unterzeichnung ist verbindliche Voraussetzung für eine An- und Einstellung, für eine Weiterbeschäftigung sowie für die Beauftragung zu einer ehrenamtlichen Tätigkeit.
( 4 ) Dem kirchlichen Rechtsträger bleibt es unbenommen, im Einklang mit den geltenden arbeitsrechtlichen Bestimmungen über den Verhaltenskodex hinaus Dienstanweisungen und hausinterne Regelungen zu erlassen.
( 5 ) Vorgesetzte und Leitungskräfte haben eine besondere Verantwortung dafür, die verbindlichen Verhaltensregeln einzufordern und im Konfliktfall fachliche Beratung und Unterstützung zu ermöglichen.
###

§ 7
Beschwerdewege

( 1 ) Im Rahmen des institutionellen Schutzkonzepts sind interne und externe Beratungsmöglichkeiten zu nennen und Melde- und Beschwerdewege für Minderjährige sowie schutz- oder hilfebedürftige Erwachsene, Eltern bzw. Personensorgeberechtigte sowie für die in § 2 Abs. 2 und 3 genannten Personen zu beschreiben.
( 2 ) Die Beschreibungen der Melde- und Beschwerdewege haben sich an der „Ordnung für den Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger und schutz- oder hilfebedürftiger Erwachsener durch Kleriker und sonstige Beschäftigte im kirchlichen Dienst“ und dazugehörige diözesane Ausführungsbestimmungen oder an gleichwertigen eigenen Regelungen zu orientieren. Hierbei ist insbesondere auf ein transparentes Verfahren mit klarer Regelung der Abläufe und Zuständigkeiten und auf die Dokumentationspflicht Wert zu legen.
( 3 ) Die Melde- und Beschwerdewege müssen in geeigneter Weise bekannt gemacht werden.
( 4 ) Personen mit Kontakt zu Betroffenen oder Kontakt zu Beschuldigten bzw. Tätern können kontinuierlich Supervision erhalten.
( 5 ) Der kirchliche Rechtsträger hat durch geeignete Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, dass alle Beteiligten, insbesondere Minderjährige und schutz- oder hilfebedürftige Erwachsene, regelmäßig und angemessen über ihre Rechte und Pflichten informiert werden.
( 6 ) Der kirchliche Rechtsträger hat in seinem Zuständigkeitsbereich sicherzustellen, dass im Hinblick auf die Benennung sexualisierter Gewalt und sexueller Grenzverletzungen die beauftragten Ansprechpersonen für Betroffene von sexualisierter Gewalt der (Erz-)Diözese bekannt gemacht sind.
###

§ 8
Qualitätsmanagement

( 1 ) Der kirchliche Rechtsträger hat die Verantwortung dafür, dass Maßnahmen zur Prävention als Teil seines Qualitätsmanagements implementiert, kontrolliert, evaluiert und weiterentwickelt werden.
( 2 ) Der kirchliche Rechtsträger stellt sicher, dass die Minderjährigen und schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen sowie deren Erziehungsbzw. Personensorgeberechtigte oder gesetzliche Betreuer/-innen über die Maßnahmen zur Prävention angemessen informiert werden und die Möglichkeit haben, Ideen, Kritik und Anregungen an den kirchlichen Rechtsträger weiterzugeben.
( 3 ) Für jede Einrichtung, für jeden Verband oder für den Zusammenschluss mehrerer kleiner Einrichtungen muss eine Präventionsfachkraft benannt sein, die bei der Umsetzung des institutionellen Schutzkonzeptes berät und unterstützt.
( 4 ) Als Teil einer nachhaltigen Präventionsarbeit ist im Rahmen der Auswertung eines Vorfalls bzw. bei strukturellen Veränderungen das Schutzkonzept auf erforderliche Anpassungen zu überprüfen.
( 5 ) Das Schutzkonzept ist regelmäßig – spätestens alle fünf Jahre – zu überprüfen und ggfs. weiterzuentwickeln.
###

§ 9
Präventionsschulungen

( 1 ) Kirchliche Rechtsträger tragen Verantwortung dafür, dass die Prävention gegen sexualisierte Gewalt an Minderjährigen und schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen integraler Bestandteil der Aus- und Fortbildung aller Beschäftigten im kirchlichen Dienst, ehrenamtlich tätigen Personen sowie Mandatsträger/-innen ist.
( 2 ) Leitende Mitarbeitende tragen Personal- und Strukturverantwortung. Daher muss diese Personengruppe über das Grundlagenwissen hinaus im Rahmen ihrer Verantwortungsbereiche intensiv qualifiziert werden.
( 3 ) Mitarbeitende mit einem intensiven, pädagogischen, therapeutischen, betreuenden, beaufsichtigenden, pflegenden oder seelsorglichen Kontakt mit Minderjährigen bzw. schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen müssen an einer Intensivschulung teilnehmen.
( 4 ) Mitarbeitende und ehrenamtlich Tätige mit einem regelmäßigen pädagogischen, therapeutischen, betreuenden, beaufsichtigenden oder pflegenden Kontakt mit Minderjährigen bzw. schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen müssen an einer Basisplusschulung teilnehmen. Ebenso gilt dies für Personen, die an Veranstaltungen teilnehmen, bei denen Minderjährigen bzw. schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen Übernachtungsmöglichkeiten angeboten werden.
( 5 ) Mitarbeitende und ehrenamtlich Tätige mit sporadischem Kontakt zu Minderjährigen bzw. schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen müssen an einer Basisschulung teilnehmen.
( 6 ) Alle Personen gemäß § 2 Abs. 2 und 3 die nicht unter die vorstehenden Abs. 2 bis 5 fallen, sind regelmäßig auf die Bedeutung der Prävention gegen sexualisierte Gewalt hinzuweisen.
( 7 ) Der kirchliche Rechtsträger hat dafür Sorge zu tragen, dass die unterschiedlichen Personengruppen in einer angemessenen Frist (mindestens alle fünf Jahre) an Vertiefungsveranstaltungen teilnehmen.
( 8 ) Die Teilnahme ist vom kirchlichen Rechtsträger dauerhaft zu dokumentieren.
( 9 ) Präventionsschulungen gegen sexualisierte Gewalt haben Kompetenzen insbesondere zu folgenden Themen zu vermitteln:
a.
angemessene Nähe und Distanz,
b.
Kommunikations- und Konfliktfähigkeit,
c.
eigene emotionale und soziale Kompetenz,
d.
Psychodynamiken Betroffener,
e.
Strategien von Tätern/Täterinnen,
f.
(digitale) Medien als Schutz- und Gefahrenraum / Medienkompetenz,
g.
Dynamiken in Institutionen mit asymmetrischen Machtbeziehungen sowie begünstigenden institutionellen Strukturen,
h.
Straftatbestände und kriminologische Ansätze sowie weitere einschlägige rechtliche Bestimmungen,
i.
notwendige und angemessene Hilfen für Betroffene, ihr Umfeld und die betroffenen Institutionen,
j.
sexualisierte Gewalt von Kindern, Jugendlichen (Peer Gewalt) und schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen an anderen Minderjährigen oder schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen,
k.
Schnittstellenthemen wie zum Beispiel sexuelle sowie geschlechter- und kultursensible Bildung,
l.
regionale fachliche Vernetzungsmöglichkeiten mit dem Ziel eigener Vernetzung.
###

§ 10
Maßnahmen zur Stärkung von Minderjährigen und schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen

Jeder kirchliche Rechtsträger hat geeignete Maßnahmen zur Stärkung von Minderjährigen und schutzoder hilfebedürftigen Erwachsenen (Primärprävention) zu entwickeln bzw. umzusetzen. Dazu gehört auch die Einbeziehung des Umfelds zum Thema Prävention gegen sexualisierte Gewalt (Eltern bzw. Personensorgeberechtigte, Angehörige und gesetzliche Betreuungen).
#

III. Strukturelle Maßnahmen

###

§ 11
Koordinationsstelle und Präventionsbeauftragte/r

( 1 ) Der (Erz-)Bischof richtet eine diözesane Koordinationsstelle, in der die Präventionsarbeit entwickelt, vernetzt und gesteuert wird, ein. Er benennt zur Leitung eine oder mehrere Personen als Präventionsbeauftragte/n. Sie/Er berichtet der Bistumsleitung regelmäßig über die Entwicklung der Präventionsarbeit.
( 2 ) Der (Erz-)Bischof kann zusammen mit anderen (Erz-)Bischöfen eine interdiözesane Koordinationsstelle einrichten.
( 3 ) Sofern Ordensgemeinschaften päpstlichen Rechts eigene Präventionsbeauftragte ernannt haben, arbeiten die diözesanen Präventionsbeauftragten mit diesen zusammen.
( 4 ) Die/Der Präventionsbeauftragte ist zum gegenseitigen Austausch und zur Abstimmung mit den Präventionsbeauftragten der anderen in Nordrhein-Westfalen gelegenen (Erz-) Diözesen verpflichtet. Sie/Er wirkt darauf hin, dass möglichst einheitliche Präventionsstandards entwickelt werden.
( 5 ) Die/Der Präventionsbeauftragte hat insbesondere folgende Aufgaben:
a.
Einbindung von Betroffenen,
b.
Beratung der kirchlichen Rechtsträger bei der Entwicklung, Umsetzung und Fortschreibung von institutionellen Schutzkonzepten,
c.
Fachliche Prüfung der Schutzkonzepte der kirchlichen Rechtsträger,
d.
Organisation von Qualifizierungsmaßnahmen (gem. § 13 Abs. 4),
e.
Sicherstellung der Qualifizierung und Information der Präventionsfachkräfte (gem. § 12 Abs. 5),
f.
Vernetzung der Präventionsarbeit inner- und außerhalb der Diözese sowie zu den Ansprechpersonen gemäß der „Ordnung für den Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger und schutz- oder hilfebedürftiger Erwachsener durch Kleriker und sonstige Beschäftigte im kirchlichen Dienst“,
g.
Zusammenarbeit mit den diözesanen Interventionsbeauftragten,
h.
Vernetzung mit kirchlichen und nicht-kirchlichen Fachberatungsstellen gegen sexualisierte Gewalt,
i.
Evaluation und Weiterentwicklung von verbindlichen Qualitätsstandards,
j.
Beratung von Aus- und Weiterbildungseinrichtungen,
k.
Fachberatung bei der Planung und Durchführung von Präventionsprojekten,
l.
Vermittlung von Fachreferenten/-referentinnen,
m.
Entwicklung von und Information über Präventionsmaterialien und -projekten,
n.
Öffentlichkeitsarbeit.
###

§ 12
Präventionsfachkraft

( 1 ) Jeder kirchliche Rechtsträger benennt mindestens eine geeignete Person, die aus der Perspektive des jeweiligen kirchlichen Rechtsträgers eigene präventionspraktische Bemühungen befördert und die nachhaltige Umsetzung der Präventionsordnung unterstützt.
( 2 ) Die Person kann ein/e Mitarbeitende/r oder ehrenamtlich Tätige/r sein; sie muss Einblick in die Strukturen des kirchlichen Rechtsträgers haben. Die Benennung soll befristet für höchstens fünf Jahre erfolgen. Eine Wiederbenennung ist möglich. Die Bezeichnung lautet „Präventionsfachkraft“.
( 3 ) Mehrere kirchliche Rechtsträger können gemeinsam eine Präventionsfachkraft bestellen.
( 4 ) Der kirchliche Rechtsträger setzt die/den Präventionsbeauftragte/ n der (Erz-)Diözese über die Ernennung schriftlich in Kenntnis.
( 5 ) Als Präventionsfachkraft kommen insbesondere Personen in Frage, die eine pädagogische oder psychologische Ausbildung bzw. Zusatzqualifikation abgeschlossen haben oder anderweitig, aufgrund von beruflichen oder privaten Erfahrungen, für das Arbeitsfeld geeignet sind. Die Teilnahme an einer Qualifizierungsmaßnahme zur Präventionsfachkraft ist verpflichtend. Die Qualifizierungsmaßnahme wird durch oder in Absprache mit der Koordinationsstelle durchgeführt.
( 6 ) Die Präventionsfachkräfte werden von der/dem Präventionsbeauftragte/n, in Zusammenarbeit mit Spitzen- bzw. Dachverbänden zu Austauschtreffen und kollegialer Beratung eingeladen. Der kirchliche Rechtsträger trägt Sorge dafür, dass die Präventionsfachkraft im angemessenen und erforderlichen Rahmen an den Treffen teilnimmt.
( 7 ) Die Präventionsfachkraft übernimmt folgende Aufgaben:
a.
ist Ansprechpartner/in für Mitarbeitende sowie ehrenamtlich Tätige bei allen Fragen zur Prävention gegen sexualisierte Gewalt,
b.
unterstützt den kirchlichen Rechtsträger bei der Erstellung und Umsetzung der institutionellen Schutzkonzepte,
c.
kennt die Verfahrenswege bei Meldungen, die Vorwürfe von sexualisierter Gewalt betreffen sowie interne und externe Beratungsstellen und kann Mitarbeitende und ehrenamtlich Tätige darüber informieren,
d.
trägt Sorge für die Platzierung des Themas in den Strukturen und Gremien des kirchlichen Rechtsträgers,
e.
berät bei Planung, Organisation und Durchführung von Präventionsprojekten und Maßnahmen für Minderjährige und schutz- oder hilfebedürftige Erwachsene aus Sicht der Prävention gegen sexualisierte Gewalt,
f.
trägt mit Sorge dafür, dass bei Angeboten und Maßnahmen für Minderjährige und schutz- oder hilfebedürftige Erwachsene qualifizierte Personen zum Einsatz kommen,
g.
benennt aus präventionspraktischer Perspektive Fort- und Weiterbildungsbedarf,
h.
ist Kontaktperson vor Ort für die/den Präventionsbeauftragte/n der (Erz-)Diözese.
( 8 ) Die Durchführung von Präventionsschulungen kann zum Aufgabenbereich gehören, wenn die benannte Person an einer diözesanen Ausbildung zur/zum Schulungsreferentin/-referenten im Bereich Prävention von sexualisierter Gewalt teilgenommen hat oder eine gleichwertige Ausbildung vorweisen kann.
###

§ 13
Schulungsreferent/-in

( 1 ) Zur Durchführung der Schulungsmaßnahmen sind dafür ausgebildete Schulungsreferentinnen und –referenten sowie Multiplikator/innen berechtigt. Die Ausbildung erfolgt in speziellen Qualifizierungsmaßnahmen in Verantwortung der/des Präventionsbeauftragten oder in eigener Verantwortung des kirchlichen Rechtsträgers mit Zustimmung der/des Präventionsbeauftragten.
( 2 ) Auch Personen, die anderweitig ausgebildet wurden oder als Fachkräfte zum Beispiel in Beratungsstellen gegen sexualisierte Gewalt arbeiten, können als Schulungsreferenten/-innen eingesetzt werden. Die Anerkennung einer einschlägigen Qualifizierungsmaßnahme sowie evtl. entsprechende Vorerfahrungen erfolgt durch die/den Präventionsbeauftragte/n.
( 3 ) Die Schulungsberechtigung ist befristet auf drei Jahre. Voraussetzung für eine Verlängerung ist die Teilnahme an einer speziellen Fortbildung oder an einem Vernetzungstreffen. Die Verlängerung ist zu beantragen.
( 4 ) Die regelmäßige Begleitung, Beratung, Fortbildung und Koordination der Schulungsreferenten/-innen und Multiplikator/-innen liegt im Verantwortungsbereich der/des Präventionsbeauftragten.
###

§ 14
Datenschutz

( 1 ) Soweit diese Ordnung sowie zur Ergänzung und Konkretisierung durch den Diözesanbischof erlassene Rechtsvorschriften auf personenbezogene Daten einschließlich deren Veröffentlichung anzuwenden sind, gehen sie den Vorschriften des Gesetzes über den Kirchlichen Datenschutz (KDG) sowie der Anordnung über die Sicherung und Nutzung der Archive der katholischen Kirche (Kirchliche Archivordnung – KAO) vor, sofern sie deren Datenschutzniveau nicht unterschreiten. Im Übrigen gelten das Gesetz über den Kirchlichen Datenschutz (KDG), die zu seiner Durchführung erlassene Ordnung (KDG-DVO) sowie die Kirchliche Archivordnung (KAO).
( 2 ) Die Fristen für die Aufbewahrung von Unterlagen richten sich nach den jeweiligen Vorschriften über die Aufbewahrungsfristen für Personalakten etc. Für die Zeit der Aufbewahrung sind die Unterlagen vor unbefugten Zugriffen in besonderem Maße zu sichern.
#

IV. Rechtsfolgen

###

§ 15
Förderungsfähigkeit

Kirchliche Rechtsträger gem. § 1 Abs. 2, die diese Präventionsordnung nicht zur Anwendung bringen und auch kein eigenes, von der diözesanen Koordinationsstelle als gleichwertig anerkanntes Regelwerk haben, werden bei der Vergabe diözesaner Zuschüsse nicht berücksichtigt.
#

V. Schlussbestimmungen

###

§ 16
Ausführungsbestimmungen

Die zur Ausführung dieser Ordnung erforderlichen Regelungen trifft der Generalvikar.
###

§ 17
Inkrafttreten

( 1 ) Diese Präventionsordnung tritt zum 1. Mai 2022 in Kraft.
( 2 ) Gleichzeitig treten die Präventionsordnung vom 8. April 2014 (Kirchlicher Anzeiger für die Diözese Aachen 2014, Nr. 73) und folgende Ausführungsbestimmungen sowie Richtlinien außer Kraft:
a.
Ausführungsbestimmungen vom 11. April 2014 (Kirchlicher Anzeiger für die Diözese Aachen 2014, Nr. 77),
b.
Ausführungsbestimmungen zur Abgabe einer Selbstverpflichtungserklärung gemäß § 6 der Präventionsordnung (Kirchlicher Anzeiger für die Diözese Aachen 2012, Nr. 8),
c.
Ausführungsbestimmungen zu § 3 Nr. 6 der Präventionsordnung (Kirchlicher Anzeiger für die Diözese Aachen 2015, Nr. 193),
d.
Ausführungsbestimmung zur Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses gemäß § 5 der Präventionsordnung (Kirchlicher Anzeiger für die Diözese Aachen 2017, Nr. 4).
e.
Richtlinien zur Finanzierung von Präventionsschulungen im Bistum Aachen (Kirchlicher Anzeiger für die Diözese Aachen 2012, Nr. 85),
f.
Richtlinien zur Finanzierung von Präventionsschulungen im Bistum Aachen (Kirchlicher Anzeiger für die Diözese Aachen 2015, Nr. 27).

#
1 ↑ Apostolisches Schreiben Amoris laetitia vom 19. März 2016, Nr. 150.
#
2 ↑ Papst Franziskus, Apostolisches Schreiben motu proprio datae „Vos estis lux mundi“ (VELM) vom 7. Mai 2019.
#
3 ↑ Wer eine Person unter achtzehn Jahren oder eine wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlose Person, die 1. seiner Fürsorge oder Obhut untersteht,
2. seinem Hausstand angehört,
3. von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden oder
4. ihm im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, (…). [StGB § 225 Abs. 1]