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Leitlinien der Krankenhausseelsorge im Bistum Aachen

Vom 26. Februar 2012

(KlAnz. 2012, Nr. 109, S. 126)

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Einleitung

Die vorliegenden Leitlinien dienen den Krankenhausseelsorgern/-innen als Grundlage und Selbstverpflichtung für ihren Dienst.
Patientinnen und Patienten haben ein Recht auf eine konfessionell ausgerichtete seelsorgliche Betreuung im Krankenhaus.1# Die Leitlinien verdeutlichen, in welcher Weise sich die Krankenhausseelsorge in die Institution Krankenhaus einbringt und sich als Gesprächspartnerin für die Träger und Leitungen der Einrichtungen anbietet.
„Gesellschaftlicher Wandel – etwa im Umgang mit Krankheit und Tod –, der medizinische Fortschritt und seine Herausforderungen, die Diskussionen um die richtige Gesundheitspolitik und ökonomische Zwänge berühren auch die Krankenhausseelsorge.“2#
In den Leitlinien steht die Sorge um das Heil der Kranken und Sterbenden im Mittelpunkt. Die Optionen und Angebote der Krankenhausseelsorge im Bistum Aachen werden beschrieben. Auf dieser Basis wird das Kompetenzprofil für die vom Bischof als Krankenhausseelsorger/-innen beauftragten Priester, Diakone, Pastoralreferenten/-innen und Gemeindereferenten/-innen dargestellt. Abschließend werden Standards für die Krankenhausseelsorge im Bistum Aachen genannt.
Die „Leitlinien der Krankenhausseelsorge im Bistum Aachen“ gelten in den grundsätzlichen Aussagen auch für die Einsätze in der Psychiatrieseelsorge. Psychiatriespezifische Besonderheiten werden im „Leitbild der Psychiatrieseelsorge im Bistum Aachen“ dargestellt3#.
Die rechtlichen Aspekte von Einsätzen in der Krankenhausseelsorge des Bistums Aachen sind in den „Pastoralen und rechtlichen Richtlinien für die Krankenhausseelsorge im Bistum Aachen“4# geregelt.
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I. Grundoptionen der Krankenhausseelsorge

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Kranksein – Heilung – Glaube

„Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi.“5#
An dieser Selbstverpflichtung der katholischen Kirche nimmt auch die Krankenhausseelsorge im Bistum Aachen ihren Ausgang: Sie ist für Menschen unter Beachtung ihres kulturellen Hintergrundes und ihres religiösen Bekenntnisses Begleitung in einer Zeit der Krankheit, die oft „… zur Krise des ganzen Menschen [wird]: körperlich, geistig und seelisch, existentiell und sozial.“6#
Die Erfahrung von Kranksein führt durch den Verlust von Selbstverwirklichung und Autonomie in eine Krise. Sie deckt die Schattenseiten des Lebens auf, seine Gefährdungen, Verzerrungen und Überforderungen. Kranksein macht sichtbar, wie verletzlich menschliches Leben ist. Vor diesem Hintergrund wird Krankheit häufig als Bedrohung empfunden. Dabei gerät leicht aus dem Blick, dass Menschen sowohl körperlich als auch psychisch erkranken können.
Gesundheit ist kein Ziel, das zu erreichen nur eine Frage des „rechten Machens“ wäre. Gesundheit kann besser verstanden werden als eine Kraft, die erlaubt, auch unter Einschränkungen in Würde zu leben.
Aus christlicher Glaubensüberzeugung ist es geboten, sich gegen einfache Versprechen von Gesundheit und Ganzheit zu wenden. Aus ihr folgt ein Verständnis von Heilung, bei dem es um Versöhnung mit den begrenzten Möglichkeiten und der begrenzten Zeit menschlichen Lebens geht. Aus christlichem Glauben lebt der Mensch von der Hoffnung auf Vollendung der eigenen Person und der Welt in Gott.
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Seelsorge im Dienst am Menschen

Die Krankenhausseelsorge bringt die Perspektive Gottes ins Spiel, weil sie den Menschen als Gottes Ebenbild sieht. Von ihm erhält jeder Mensch seine unantastbare Würde geschenkt, die er in keiner Krise und in keinem Leid verliert, auch dann nicht, wenn seine Schaffenskraft oder seine Fähigkeiten zu einem autonomen Leben schwinden.
Die in der Krankenhausseelsorge eingesetzten Seelsorger/-innen tragen Sorge dafür, dass der nach Gottes Ebenbild geschaffene Mensch nicht (mit seinem Leben) zum medizinisch verfügbaren Objekt wird. Gegen jegliche Form der Ökonomisierung und Funktionalisierung halten die Krankenhausseelsorger/-innen fest am Geheimnis des Menschen, der stets „mehr“ und „anders“ ist als er gegenwärtig ist oder zu sein scheint.
Krankenhausseelsorger/-innen wissen sich getragen von der unverbrüchlichen – wenn auch manchmal dunklen – Nähe Gottes, die er den Menschen zugesagt und in Jesus Christus unüberbietbar eingelöst hat.
Krankenhausseelsorger/-innen orientieren sich am Lebensbeispiel Jesu, der sich in besonderer Weise den Kranken und Notleidenden zugewandt hat. Dieser “Option für die Armen“ sehen auch sie sich verpflichtet. Sie würdigen Menschen in ihrem Suchen und Ringen, in ihrer Freude und Hoffnung. Mit ihnen suchen sie nach Kraftquellen, das Leid zu überwinden. Wo nötig suchen sie mit ihnen, Unabänderliches anzunehmen. Sie rechnen damit, dass solche Suche am Ende auch offen bleiben oder gar im Scheitern enden kann.
In diesem Dienst der Krankenhausseelsorge wird Kirche im ureigenen Sinn Wirklichkeit und als solidarische Glaubensgemeinschaft gegenwärtig.7#
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II. Angebote der Krankenhausseelsorge

„Krankenseelsorge im Geiste des Evangeliums weiß sich dem Leben verpflichtet: als ,heilende Seelsorge’ den Kranken zugewandt. Als Krankenhausseelsorge wendet sich Seelsorge darüber hinaus auch an alle, die im Krankenhaus tätig sind. Seelsorge für Kranke und Seelsorge für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krankenhauses, besonders aber mit ihnen zusammen, macht darauf aufmerksam: die ,Sorge-Struktur’ darf in der modernen Medizin nicht verloren gehen.“8#
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Angebote für Patientinnen und Patienten

Krankenhausseelsorger/-innen9# bieten den Patienten/-innen Begleitung, Unterstützung und Hilfe zur Lebensdeutung an. Da-Sein, Gespräche und Riten sind dabei die zentralen Formen. Im Einzelnen werden angeboten:
  • Seelsorgliches Gespräch, Zuhören, Schweigen, Präsenz,
  • Stärkung aus dem Wort Gottes – Deutung des Lebens im Licht biblischer Texte und Gestalten,
  • Spendung der Sakramente: Eucharistie, Krankensalbung, Buße, Taufe,
  • liturgische Feiern: Feier der Eucharistie, Wort-Gottes-Feier, Segensfeier, Gebet,
  • Sterbebegleitung und angemessene rituelle Gestaltung von Sterbesituationen,
  • Sorge um einen würdigen Umgang mit Verstorbenen.
  • Rufbereitschaft
In der Begegnung mit anderskonfessionellen und nichtchristlichen Patienten/-innen achten Krankenhausseelsorger/-innen deren religiöse Überzeugungen. Krankenhausseelsorger/-innen gestalten ihr Angebot auf der Basis von Offenheit und Freiwilligkeit, sie wissen mit der Möglichkeit einer grundsätzlichen Ablehnung umzugehen. Krankenhausseelsorger/-innen respektieren die Vielfalt der Glaubens- und Sinngebungsentwürfe der Menschen. Krankenhausseelsorger/-innen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet.
Auch der stark wachsenden Gruppe der ambulanten Patienten/-innen bieten Krankenhausseelsorger/-innen ihre Dienste an, besonders wenn sie wegen der Diagnostik und Therapie lebensbedrohender Krankheiten das Krankenhaus aufsuchen.
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Angebote für Angehörige

Krankenhausseelsorger/-innen wenden sich auch den Angehörigen und den Freunden/-innen der Patienten/-innen zu. Sie achten auf deren Nöte und Fragen und laden sie ein, Sakramente und liturgische Handlungen mitzufeiern.
Die Begleitung Angehöriger ist besonders wichtig in Situationen, in denen der/die Patient/-in sich selbst nicht (mehr) äußern kann.
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Angebote für Mitarbeiter/-innen

Mitarbeiter/-innen in den Einrichtungen sind wichtige Kooperationspartner/-innen der Krankenhausseelsorger/-innen: Sie sind mit der Situation eines/r Patienten/-in vertraut und wissen, welche/r Patient/-in eventuell in besonderer Weise der Seelsorge bedarf; sie sind es, die in der Regel den/die Krankenhausseelsorger/-in zur Kommunionspendung bzw. zur Krankensalbung rufen.
Die Mitarbeiter/-innen im Krankenhaus können sich selbst mit ihren eigenen Sorgen und Nöten, ihren Erlebnissen und Anliegen an die Krankenhausseelsorger/-innen wenden, wie z. B. Fragen und Grenzerfahrungen ihres beruflichen Alltags.
Neben dem pflegerischen und ärztlichen Dienst haben auch Beschäftigte des Sozialdienstes und der therapeutischen Berufsgruppen im Krankenhaus eine besondere Nähe zur Krankenhausseelsorge. Krankenhausseelsorger/-innen pflegen den Kontakt zu ihnen, auch in Form eines geregelten Austauschs.
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Angebote für ehrenamtliche Dienste

Die Krankenhausseelsorger/-innen gewinnen, qualifizieren, koordinieren und begleiten ehrenamtliche Mitarbeiter/-innen in der Krankenhausseelsorge. Dies können Kommunionhelfer/-innen, Leiterinnen von Wort-Gottes-Feiern und Mitarbeiter/-innen von Besuchsdiensten sein. Darüber hinaus arbeiten Krankenhausseelsorger/-innen mit den ehrenamtlichen Diensten der Gemeinschaften der Gemeinden und des Krankenhauses zusammen. Sie können je nach den Gegebenheiten und Konzeptionen der Einrichtung bei der Gewinnung, Schulung und Begleitung dieser Dienste mitwirken.
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Angebote im Themenfeld ,Ethik im Krankenhaus’

Krankenhausseelsorger/-innen bringen ihre Kompetenz mit ihren eigenen, christlich geprägten Werten und Normen in ethische Diskussionen und Entscheidungsfindungen ein. Sie können Mitglieder im Ethik-Komitee des Krankenhauses sein und an ethischen Fallbesprechungen teilnehmen.
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Angebote in der Aus- und Fortbildung

Krankenhausseelsorger/-innen stehen als Gesprächspartnerinnen und Referent/-innen für religiöse, ethische und weltanschauliche Themen in der Aus- und Fortbildung der ärztlichen, therapeutischen und pflegerischen Berufe zur Verfügung.
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Angebote innerhalb der Pastoral der Gemeinschaften der Gemeinden

Die Krankenhausseelsorge ist der Ebene der ,Kirche am Ort’ zugeordnet. Sie ist Teil der Pastoral der Gemeinschaften der Gemeinden. Sie bringt ihre spezifischen Erfahrungen aus der Begleitung kranker, sterbender und trauernder Menschen im Krankenhaus ein. Die Krankenhausseelsorger/-innen stellen ihren Dienst und ihr fachliches Wissen den anderen kirchlichen Akteuren und Orten innerhalb der Gemeinschaft der Gemeinden zur Verfügung, z. B. Pfarreien und Gemeinden, Verbänden und Einrichtungen.
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Angebote in Kooperationen und Netzwerken

Krankenhausseelsorger/-innen suchen die Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern/-innen der Evangelischen Krankenhausseelsorge und anderer Religionsgemeinschaften.
Krankenhausseelsorger/-innen kooperieren mit unterschiedlichen örtlichen Partnern/-innen aus Kirchen, Kommunen und freien Initiativen, z. B. Senioreneinrichtungen, Beratungsstellen und dem Caritasverband mit seinen Fachdiensten. Sie machen ihre Angebote durch Öffentlichkeitsarbeit bekannt.
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III. Kompetenzen für den Dienst in der Krankenhausseelsorge

Der Einsatz in der Krankenhausseelsorge setzt folgende Kompetenzen voraus:
  • Krankenhausseelsorger/-innen bieten Kranken, Angehörigen und Mitarbeitern/-innen im Krankenhaus als theologisch und pastoral qualifizierte Mitarbeiter/-innen Hilfen zur Lebensdeutung und Lebensorientierung an.
  • Sie sind in der Lage, theologische Grundlagen in das interdisziplinäre Gespräch des Krankenhauses einzubringen.
  • Sie sind vertraut mit der Institution Krankenhaus und haben die Fähigkeit, mit unterschiedlichen Berufsgruppen umzugehen.
  • Sie haben Grundkenntnisse von Krankheitsbildern und -verläufen sowie der Behandlung von Krankheiten (bezogen auf den Einsatzbereich) und Grundkenntnisse zu ethischen Fragestellungen.
  • Sie deuten ihr Leben aus dem Glauben heraus und leiten daraus ihr Handeln ab. Sie verstehen ihren Dienst als personales Angebot.
  • Sie setzen sich bewusst mit der eigenen Begrenztheit und Sterblichkeit auseinander.
  • Sie verfügen über gute Kontakt- und Beziehungsfähigkeit, hohes Einfühlungsvermögen und Belastbarkeit.
  • Sie sind diskret und wahrhaftig im Umgang mit den Kranken, Angehörigen und Mitarbeitern/-innen.
  • Sie sind in der Lage, Einzel- und Gruppengespräche zu führen und konstruktiv mit Konflikten umzugehen.
  • Sie sind team- und kooperationsfähig.
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IV. Standards der Krankenhausseelsorge im Bistum Aachen

Das Bistum Aachen gewährleistet folgende Standards bezüglich Studium, Berufseinführung sowie Fort- und Weiterbildung der Krankenhausseelsorgerinnen und -seelsorger:
  • Krankenhausseelsorger/-innen verfügen über ein theologisches oder religionspädagogisches Studium sowie eine abgeschlossene Berufseinführung als Priester, Diakon, Pastoralreferent/-in oder Gemeindereferent/-in.
  • Krankenhausseelsorger/-innen haben eine Klinische Seelsorgeausbildung (KSA) nach den Standards der Deutschen Gesellschaft für Pastoralpsychologie (DGfP) absolviert. Darüber hinaus ist für die Seelsorge in der Psychiatrie eine Zusatzqualifikation „Seelsorge mit psychisch Kranken und psychisch Behinderten“ verbindlich.
  • Krankenhausseelsorger/-innen verfügen in der Regel über eine mehrjährige Seelsorgeerfahrung und haben eine Hospitationsphase in der Krankenhausseelsorge durchlaufen.
  • Krankenhausseelsorger/-innen erhalten in geregelter Form Gelegenheit zur Inanspruchnahme von Supervision und Fortbildung. Im Rahmen der diözesanen Fortbildung können sie auch Spezialkenntnisse für Sonderbereiche erwerben (z. B. Psychiatrie, Onkologie, AIDS-Stationen, Palliativmedizin, Geriatrie, Kinderheilkunde, Transplantationsmedizin, Medizinethik).
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Evaluierung

Diese Leitlinien treten am 1. März 2012 in Kraft und werden spätestens nach fünf Jahren überprüft.

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1 ↑ Vgl. Krankenhausgesetz NRW, § 7; Grundgesetz, Art. 140; Weimarer Reichsverfassung (WRV), § 141.
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2 ↑ Die Sorge der Kirche um die Kranken. (= Die deutschen Bischöfe, Nr. 60), hg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 1998, S. 7.
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3 ↑ Vgl. Fachbereich ,Krankenhaus- und Behindertenpastoral’ in der Abteilung ,Pastoral in Lebensräumen’ der Hauptabteilung ,Pastoral’ des Bischöflichen Generalvikariats Aachen / Arbeitskreis ,Psychiatrieseelsorge im Bistum Aachen: Leitbild der Psychiatrieseelsorge im Bistum Aachen, 10. September 2002.
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4 ↑ Vgl. Pastorale und rechtliche Richtlinien für die Krankenhausseelsorge im Bistum Aachen, in: Kirchlicher Anzeiger für die Diözese Aachen vom 15. Dezember 1990, Nr. 12, S. 178-182.
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5 ↑ Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution „Die Kirche in der Welt von heute“, Nr. 1.
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6 ↑ Die Sorge der Kirche um die Kranken, S. 8.
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7 ↑ Vgl. ebd. S. 11 f.
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8 ↑ Ebd. S. 22.
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9 ↑ Speziell ausgebildete und erfahrene Seelsorger/-innen stehen für psychiatrische Krankenhäuser und Fachabteilungen zur Verfügung. Die Besonderheiten des seelsorglichen Dienstes dort werden in einem eigenen Leitbild dargestellt (vgl. Anm. 3).