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Konzept der Polizeiseelsorge im Bistum Aachen

Vom 15. November 2011

(KlAnz. 2012, Nr. 127, S. 140)1#

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1. Einleitung

Das Konzept der Polizeiseelsorge im Bistum Aachen knüpft an die Grundlagen der Polizeiseelsorge in der Bundesrepublik Deutschland, wie sie seit dem Ende der 70er Jahre entwickelt wurden, an.2# Sie nimmt zugleich die Erfahrungen aus der langjährigen Praxis der Polizeiseelsorge im Bistum Aachen auf.
Ausgegangen wird von einer Beschreibung der Institution Polizei (2), wie sie im Gebiet des Bistums mit ihren unterschiedlichen Einrichtungen angetroffen wird. Anschließend werden die allgemeinen und besonderen Grundlagen (3), auf die sich die Polizeiseelsorge stützt, und die Leitlinien (4) benannt, an denen sie ihr Handeln ausrichtet. Danach werden die Einbindung der Polizeiseelsorge in die Strukturen des Bistums und ihre Arbeits- und Rahmenbedingungen (5) genannt, die zur Verwirklichung ihres pastoralen Auftrags eingerichtet sind. Abschließend geht es um die konzeptionelle Weiterentwicklung (6).
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2. Die Polizei im Territorium des Bistums Aachen

Im Gebiet des Bistums gibt es Polizeipräsidien in Aachen, in Krefeld und in Mönchengladbach sowie Kreispolizeibehörden in Düren, in Heinsberg und in Viersen. Polizeipräsidenten oder Landräte stehen an der Spitze.
Trotz einiger Unterschiede sind die Polizeibehörden ähnlich organisiert. Danach ist die polizeiliche Arbeit im Wesentlichen jeweils auf vier Direktionen aufgeteilt: Zentrale Aufgaben (ZA), Gefahrenabwehr/Einsatz (G/E), Verkehr (V), Kriminalität (K). In verschiedenen Städten gibt es Polizeiwachen, in den meisten Ortsteilen gibt es Bezirksdienste, und es gibt jeweils eine Hundertschaft in Aachen und in Mönchengladbach. Für das Bistum Aachen heißt das: mehr als 4000 Frauen und Männer leisten in Einrichtungen der Polizei ihren Dienst.
Merkmale dieser Berufgruppe sind:
Der Polizeiberuf ist weit über das normale Maß hinaus mit den Abgründen und Schattenseiten des menschlichen Lebens konfrontiert (mit Schuld, Unglücken, menschlichen Tragödien, Kriminalität, Suizid, Mord, Gewalt, Streitigkeiten, Großschadenslagen, Demonstrationen, Alkohol- und Drogenmissbrauch, ...).
Die Polizei arbeitet an Brennpunkten des gesellschaftlichen Lebens.
Die Polizei sorgt sich um Einhaltung von Recht und Gesetz.
Die Polizei leistet einen wesentlichen Beitrag zur öffentlichen Ordnung.
Der Polizeidienst ist körperlich anstrengend und seelisch belastend.
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3. Allgemeine Grundlagen der Polizeiseelsorge im Bistum Aachen

Die Polizeiseelsorge ist Teil der Pastoral des Bistums Aachen und liegt in der Verantwortung des Diözesanbischofs, der daher geeignetes und fachlich qualifiziertes pastorales Personal dazu beauftragt. Im Bistum Aachen wie in den übrigen deutschen Bistümern bildete die „Handreichung für den Dienst der Katholischen Polizeiseelsorger“ von 19903# eine Grundlage der Polizeiseelsorge. Die Verantwortlichen der Polizeiseelsorge haben ihre Arbeit konzeptionell weiter entwickelt und um die in der Praxis gewonnen Erfahrungen ergänzt. Dazu gehört auch die Entwicklung der Aufgabenbeschreibungen für den Polizeidekan und die Polizeiseelsorger/-innen (s. 5.).
Sie versteht sich als begleitende Seelsorge, die berufs- und milieubezogen arbeitet. Sie ist konfessionell und allein durch die Kirchen zu gestalten. Sie leistet, was die Kirchen leisten können und müssen: Gottesdienst, Dienst am Nächsten und Zeugnis. Sie fördert den Dialog von Kirche in der Welt.
Da Polizeiseelsorge die Kirche in der (staatlichen) Institution Polizei repräsentiert, bedarf es für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben und Dienste einer rechtlichen Grundlage. Im Land Nordrhein-Westfalen, zu dem das Bistum Aachen gehört, ist diese Grundlage mit der „Vereinbarung über die Wahrnehmung der katholischen Polizeiseelsorge im Land NRW“ (1962) geschaffen worden.4# Nach dieser Vereinbarung sind die
Aufgaben der Polizeiseelsorger/-innen die Verkündigung und Lehre des Wortes Gottes, die Sakramentenspendung und ganz generell die Betreuung der Polizeibeamten. Ort der Polizeiseelsorge ist sowohl die polizeiliche Einrichtung – auf der Grundlage von Vereinbarungen zwischen Kirche und Staat – als auch das private Umfeld der Polizistinnen und Polizisten.5#
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4. Leitlinien der Polizeiseelsorge im Bistum Aachen

In Anerkenntnis des gesellschaftlich sehr wichtigen Dienstes der Polizei und im Wissen um die hohen Anforderungen, die an die Frauen und Männer bei der Polizei gestellt werden, sieht es das Bistum Aachen als eine seiner Aufgabe an, für diese Berufsgruppe ein personelles Angebot zu leisten. Sie beauftragt daher einen Polizeidekan und Polizeiseelsorger/-innen, die in den Polizeibehörden des Bistums für dienstliche und private Belange präsent sind: „Die Polizeiseelsorge gilt den Frauen und Männern, die in den Polizei-Organisationen Dienst leisten. Die pastorale Sorge der Kirche gilt also den Menschen, nicht der Organisation.“6# Der Polizeidekan und die Polizeiseelsorger/-innen sind in Wahrnehmung ihrer seelsorglichen Tätigkeiten unabhängig von staatlichen und/oder polizeilichen Weisungen. In den Polizeibehörden sind die Polizeiseelsorger/-innen die Ansprechpartner/-innen für alle Fragen und Themen, die die Polizeiseelsorge betreffen.
Die Polizeiseelsorge richtet sich an eine Personengruppe, die aufgrund der Besonderheit ihres beruflichen Alltags in spezifischer Form der pastoralen Zuwendung bedarf. In Unterricht, in Fortbildungen und in Gesprächen hat die Polizeiseelsorge die Chance, auf dienstlicher Grundlage christliche Werte zu vermitteln. Sie wendet sich grundsätzlich an alle Frauen und Männer, die bei der Polizei ihren Dienst verrichten, unabhängig von Religion, Konfession oder Weltanschauung. Sie sucht die enge Zusammenarbeit mit der evangelischen Polizeiseelsorge.
Polizeiseelsorge ist eine der Formen, durch die die Kirche ihre christliche Mitverantwortung für den demokratischen Staat wahrnimmt. Zugleich ermöglicht sie eine unkomplizierte Begegnung zwischen Mitarbeiter/-innen der Polizei und der Kirche, worin für beide Seiten eine große Chance liegt. Durch den engen Kontakt zu den Frauen und Männern im Polizeidienst sind die Seelsorger sehr nah am Zeitgeschehen und bekommen so zeitnah Entwicklungen und Veränderungen in der Gesellschaft mit. Die Polizeiseelsorge wird durch den Polizeidekan und die Polizeiseelsorger/-innen wahrgenommen, für deren Handeln einige allgemeine Leitlinien gelten:
  • Sie kennen den Alltag der Polizistinnen und Polizisten und sind dort präsent; sie sind ihnen Stütze, Orientierung und Begleitung.
  • Sie nehmen sich Zeit für die Menschen und sind Gesprächspartner/-innen und Vertrauenspersonen. Als Seelsorger/-innen unterliegen sie der Schweigepflicht und besitzen ein Zeugnisverweigerungsrecht.
  • Sie thematisieren die ethische Dimension des Polizeiberufs und Sinnfragen innerhalb der Polizeibehörden und in der Gesellschaft.
  • Sie kennen Strukturen und Zuständigkeiten in den Behörden, haben Kenntnis von den Themen, die unter den Dienstleistenden diskutiert werden und wissen um Belastungen, Konflikte und Probleme der Menschen, die den polizeilichen Dienst verrichten.
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5. Rahmenbedingungen und Aufgaben

Auf der Grundlage des Einsatzplans „Pastorale Ämter und Dienste“ in der jeweils geltenden Fassung werden in der Polizeisorge Priester, Pastoralreferent/-innen, und Diakone durch den Bischof eingesetzt. Die vom Bischof beauftragten Polizeiseelsorger/-innen bilden unter der Leitung des Polizeidekans das Team der Polizeiseelsorge im Bistum Aachen.
Die fachliche Begleitung, Beratung und Ausstattung, letztere gegebenenfalls in Absprache mit den jeweiligen Polizeibehörden, erfolgt durch die Abteilung „Pastoral in Lebensräumen“ der Hauptabteilung „Pastoral / Schule / Bildung“ des Bischöflichen Generalvikariats. Der Polizeiseelsorge wird ein Budget zur Verfügung gestellt, das der Polizeidekan verwaltet. Der Polizeidekan, der/die Leiter/-in sowie der/die zuständige Referent/-in der Abteilung „Pastoral in Lebensräumen“ kommen regelmäßig zu Dienstgesprächen zusammen.
Das Team der Polizeiseelsorge kommt regelmäßig zusammen, um Erfahrungen auszutauschen, gemeinsame Vorhaben zu planen und abzustimmen sowie Entwicklungen in der Polizei zu beraten, die Einfluss auf die Seelsorge haben könnten. Der/die zuständige Referent/-in der Abteilung „Pastoral in Lebensräumen“ nimmt an diesen Dienstgesprächen teil.
Der Polizeidekan nimmt an den entsprechenden Konferenzen der Abteilung „Pastoral in Lebensräumen“ teil. Er sorgt für die regelmäßigen Kontakte zum Landesdekan der Polizeiseelsorge (Dekanekonferenz NRW) sowie zu kirchlichen und nicht-kirchlichen Stellen in Gesellschaft und Politik.
Die Polizeiseelsorger/-innen und der Polizeidekan nehmen an den entsprechenden Konferenzen der Deutschen Bischofskonferenz auf Bundesebene, den entsprechenden Konferenzen auf Landesebene sowie an der jährlichen berufsethischen Fachtagung der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster teil.
Die Polizeiseelsorger/-innen gestalten ihren Dienst
  • nach gründlicher Vorbereitung auf die Besonderheiten des Arbeitsfeldes,
  • entsprechend ihrer Aufgabenbeschreibung,
  • gemäß ihrer berufsspezifischen Möglichkeiten,
  • in Anwendung ihrer persönlichen und fachlichen Kompetenzen,
  • unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten in den jeweiligen Polizeibehörden,
  • in genauer Kenntnis des Aufbaus der Behörden ihrer Zuständigkeit,
  • auf Grundlage des Konzepts der Polizeiseelsorgeim Bistum Aachen.
Zu den Grundaufgaben des/der Polizeiseelsorgers/-in gehören
  • der regelmäßige Kontakt zur Behördenleitung,
  • nach Möglichkeit die Teilnahme an Dienstgesprächen,
  • die Präsenz im Alltagsgeschehen der Polizei,
  • die Öffentlichkeitsarbeit,
  • die Gestaltung der ökumenischen Zusammenarbeit,
  • der regelmäßige Kontakt zur Notfallseelsorge in den jeweiligen Regionen des Bistums,
  • regelmäßige Kontakte zu den sozialen Ansprechpartnern/-innen, den Opferschutzbeauftragten und den Gleichstellungsbeauftragten in der Polizei,
  • die Kontaktaufnahme zu dem/den jeweiligen Regionaldekanen sowie anderen kirchlichen Einrichtungen und Diensten.
Das Bistum gewährleistet allen Polizeiseelsorgern/-innen regelmäßige fachliche Fortbildung gemäß den entsprechenden Richtlinien und Regelungen. Die Diensträume für die Polizeiseelsorger werden in Absprache mit dem Polizeidekan durch das Bistum festgelegt. Hierbei kommen die entsprechenden Richtlinien und Regelungen des Bistums zur Anwendung.
Um möglichst qualifizierte Arbeit zu gewährleisten, sind Kontinuität sowie räumliche Nähe und gute Erreichbarkeit der jeweiligen Polizeiseelsorger/-innen wesentliche Faktoren. Sie dienen nicht nur dem Vertrauensverhältnis zwischen den Polizeiseelsorgern/-innen und der Polizei, sie sind auch entscheidend für das Erkennen von Veränderungen innerhalb der Institution "Polizei" und von Herausforderungen der Zeit.
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6. Weiterentwicklung des Konzepts

Es ist Aufgabe aller Verantwortlichen der Polizeiseelsorge, solche Veränderungen im Bereich der Polizei und ihres Dienstes aufmerksam zu verfolgen und im Bedarfsfall die Modifizierung und Weiterentwicklung des Konzepts anzustoßen.

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1 ↑ Red. Anm.: Diese Vorschrift ist am 1. August 2012 im Kirchlichen Anzeiger veröffentlicht worden.
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2 ↑ Vgl. Weihbischof Gerhard Pieschl, Grundlagen und Konzepte 4, Handreichung für den Dienst der katholischen Polizeiseelsorger, Limburg 1990.
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3 ↑ Weihbischof Gerhard Pieschl, Grundlagen und Konzepte 4, Handreichung für den Dienst der katholischen Polizeiseelsorger, Limburg 1990.
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4 ↑ Für das Bistum Aachen unterzeichnet vom damaligen Bischof Dr. Johannes Pohlschneider am 4. Juli 1962.
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5 ↑ Vgl. Michael Arnemann, Kirche und Polizei: Zwischen Gleichschaltung und Selbstbehauptung, LIT Verlag Münster 2005.
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6 ↑ Zitiert nach: http://polizeiseelsorge.org/hp145/Polizeiseelsorge.htm.