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Rahmenordnung Orte von Kirche im Pastoralen Raum
Vom 8. Juli 2024
(KlAnz. 2024, Nr. 95, S. 152)
####1. Begriffsbestimmung
In der Weiterentwicklung der Synodalkreisbeschlüsse verstehen sich die „Orte von Kirche“ als Kristallisationspunkte einer kreativen Konfrontation von „Evangelium“ und „Existenz“. Sie sind an den unterschiedlichen Bedürfnislagen von Menschen heute ausgerichtet. Dabei ist der Begriff „Ort“ / „Orte“ nicht nur im Sinne einer territorialen Zuordnung oder räumlichen Verortung zu verstehen, sondern findet auch Anwendung für bisher als kategorial bezeichnete Seelsorgebereiche.
Orte von Kirche sind Orte, an denen sich Menschen zusammenfinden, weil sie in einer spezifischen Art ihren Glauben leben wollen und nach eigenen Ausdrucksformen ihres Christseins suchen. Als solche sind sie strukturell in die Pastoralen Räume eingebunden.
Orte von Kirche können territorial oder kategorial verortet, einrichtungsbezogen, thematisch motiviert, an Personen orientiert, institutionell, analog oder digital sein. Sie können einen lokalen Bezug haben oder mobil sein, auf Dauer angelegt oder zeitlich begrenzt, konfessionell geprägt und/oder ökumenisch. Viele dieser Orte, Gruppen und Initiativen existieren bereits, es können und sollen aber auch neue entstehen und bewusst initiiert werden.
Orte von Kirche sind an mindestens einem der drei kirchlichen Grundvollzüge Leiturgia, Martyria oder Diakonia erkennbar und auf die jeweils anderen Grundvollzüge hin offen. Auf diese Weise verstehen sie sich als aktive Glieder der kirchlichen Koinonia und Vernetzung.
#2. Kriterien für Orte von Kirche
Für die Entdeckung bereits existierender und die Initiierung neuer Orte von Kirche dienen die folgenden Kriterien. Im Sinne von Charaktereigenschaften orientieren diese sich grundsätzlich an den Vorgaben des Kompasses des Synodalkreises: Freiheit, Begegnung, Ermöglichung. Gleichzeitig entsprechen sie der Prämisse einer konsequent missionarischen, also vom Evangelium inspirierten, und diakonischen, also sich im Dienst am konkreten Menschen verstehenden, Gesamtausrichtung der Pastoral im Bistum Aachen, wie sie in der Pastoralstrategie formuliert ist.
Folgende vier Kriterien werden in ihrer gegenseitigen Verwiesenheit festgehalten: Lebendigkeit, Wirksamkeit, Gemeinschaft, Ermöglichung. Als solche verstehen sich Orte von Kirche niemals isoliert, sondern offen für die Menschen und die anderen Orte von Kirche im Pastoralen Raum.
Ein Ort von Kirche ist lebendig,
- wenn er einen Bezug zur Lebensrealität der Menschen im Sozialraum hat,
- wenn das Zeugnis der Frohen Botschaft Jesu Christi zum Mitmachen einlädt,
- wenn hier das Leben als möglicher Ort der Gottesbegegnung in all seinen Facetten gefeiert und gewürdigt wird.
Ein Ort von Kirche ist wirksam,
- wenn sich in ihm das Wirken des Heiligen Geistes ahnen lässt,
- wenn durch ihn das Evangelium Jesu Christi erfahrbar wird,
- wenn er Strahlkraft entfaltet und Menschen anzieht.
Ein Ort von Kirche ist gemeinschaftlich und solidarisch,
- wenn er Menschen einlädt, Leben und Glauben zu teilen,
- wenn durch die in ihm versammelten Menschen die Nähe Gottes erfahrbar wird,
- wenn sich Menschen hier angenommen fühlen und Unterstützung erfahren.
Ein Ort von Kirche ermöglicht Engagement und Entwicklung,
- wenn Menschen hier ihre Begabungen entdecken und Christsein leben können,
- wenn er Vielfalt Raum gibt und auf die Einheit der Kirche geöffnet ist,
- wenn hier Neues ausprobiert werden darf.
3. Wer trägt die Orte von Kirche im Pastoralen Raum?
Orte von Kirche werden von ihrem Selbstverständnis her getragen von den Menschen, die eine kreative Konfrontation von Evangelium und Existenz ermöglichen und gestalten. Orte von Kirche sind somit lebendige Ausdrucksformen eines gemeinsamen Priestertums.
Dabei gibt es unterschiedliche Rechtsträger der Orte von Kirche, die im Pastoralen Raum wirken. Grundsätzlich gilt dabei, dass Orte von Kirche von ihrem jeweiligen Rechtsträger mit finanziellen Mitteln ausgestattet und personell verwaltet werden.
- Da die meisten Orte von Kirche, die im Territorium eines Pastoralen Raums liegen und sich diesem Pastoralen Raum zugehörig fühlen, unmittelbar aus den Lebensvollzügen dieses Pastoralen Raumes entstehen, ist die Kirchengemeinde bzw. der Kirchengemeindeverband als Rechtsträger des Pastoralen Raums selbst zu verstehen.
- Daneben gibt es Orte von Kirche, die geographisch betrachtet zwar im Territorium eines Pastoralen Raums liegen, aber einen anderen Rechtsträger haben. Wir unterscheiden hier zwischen dem Bistum Aachen als Rechtsträger (z. B. Bischöfliche Schulen, Hochschulseelsorge, u. a.) und weiteren Rechtsträgern (z. B. dem Domkapitel für den Dom, den Orden, dem Caritasverband mit seinen Einrichtungen, Jugend- und Erwachsenenverbänden, Trägerwerken von Kindertagesstätten und offenen Jugendeinrichtungen oder Sozialträgern).
4. Gegenseitige Vergewisserung im Pastoralen Raum
Orte von Kirche verstehen sich als Keimzellen christlichen Lebens, die nicht isoliert zu betrachten sind, sondern in ihrem Zusammenspiel das kirchliche Leben von Pastoralen Räumen darstellen. Eine wesentliche Aufgabe des Pastoralen Raums besteht darin, die unterschiedlichen Orte von Kirche in ihrer Eigenständigkeit zu ermöglichen, zu fördern und miteinander zu vernetzen. Dazu bedarf es einer gegenseitigen Vergewisserung der Orte untereinander und einer Verhältnisbestimmung zwischen den einzelnen Orten von Kirche und dem Pastoralen Raum. Das Verfahren soll verbindlich klären, was es für beide Seiten bedeutet, wenn sich ein Ort von Kirche als zugehörig zum Pastoralen Raum versteht.
Die formal abgesicherte Bestätigung oder Vergewisserung im Pastoralen Raum hat für die jeweilige Gruppe oder Initiative den Mehrwert, als Ort von Kirche sichtbar und wahrgenommen zu werden, sich mit anderen Orten zu vernetzen und ggf. Ressourcen im Rahmen der finanziellen und personellen Möglichkeiten des jeweiligen Pastoralen Raums für das eigene Engagement zu erhalten. Hierzu bedarf es im Sinne einer lebendigen Pastoral einer engen Abstimmung zwischen der Leitung des Pastoralen Raums und dem zuständigen Kirchenvorstand bzw. der Verbandsvertretung des Kirchengemeindeverbands.
Die angezielte Vergewisserung ist ein wechselseitiger und gegenseitig einladend-werbender Prozess. Ein Ort von Kirche versteht sich als Teil einer größeren Einheit und erkennt ausdrücklich seine aktive Teilnahme am Kirchsein im Pastoralen Raum an. Für den Pastoralen Raum seinerseits bestätigt die Leitung unter Einbindung des Rats des Pastoralen Raums, dass der Ort von Kirche bestimmte Kriterien (s.o.) erfüllt.
Für die Durchführung dieses niedrigschwelligen Verfahrens benennen Orte von Kirche Verantwortliche aus ihren Reihen als Ansprechpersonen. Dazu von der Leitung des Pastoralen Raums beauftragte Personen signalisieren in einem einladend-werbenden Gespräch mit den Ansprechpersonen Interesse an deren Aktivitäten und informieren über die für die gegenseitige Vergewisserung notwendigen Bedingungen.
Die an einer solchen Vergewisserung interessierten Orte von Kirche formulieren in einem schriftlichen Antrag formlos oder in einem protokollierten Gespräch
- ihr Profil, also die Art und Weise, wie sie gelebtes Christsein und damit ihren Beitrag zum lebendigen Kirchesein des Pastoralen Raums verstehen und erklären,
- falls bekannt, ihren Ressourcenbedarf sowie
- ihre Bereitschaft zur Teilnahme an der jährlichen Vollversammlung als Ort der Vernetzung mit den anderen Orten von Kirche im Pastoralen Raum.
Im Konfliktfall kann subsidiär die nächste pastorale Strukturebene um Vermittlung angerufen werden.
Wenn eine formale Absicherung als Ort von Kirche von beiden Seiten gewünscht wird, erfolgt die Bestätigung durch die Leitung des Pastoralen Raums in Abstimmung mit dem Rat des Pastoralen Raums.
Eine gegenseitige Vergewisserung ist ausdrücklich auch für die Orte von Kirche im Pastoralen Raum erwünscht und sinnvoll, die einen anderen Rechtsträger haben als die Kirchengemeinde / den Kirchengemeindeverband des Pastoralen Raums, wie z. B. verbandliche Gruppen, Einrichtungen der Caritas oder von Orden, Schulen oder nicht-kirchliche Orte, an denen Seelsorger eingesetzt sind (Krankenhäuser, Justizvollzugsanstalten, etc.). Auch diese Orte von Kirche können bei Bedarf im Rahmen der Möglichkeiten pastorale Begleitung und personelle, räumliche oder auch finanzielle Unterstützung zur Erfüllung ihrer seelsorglichen Aufgaben geltend machen.
Anhand der festgelegten Kriterien überprüft die Leitung des Pastoralen Raums einmal pro Wahlperiode des Rates des Pastoralen Raums die Orte von Kirche auf die vorliegenden Kriterien hin mit dem Ziel der Weiterentwicklung, des Fortbestandes oder der Verabschiedung.
#5. Die Vollversammlung der Orte von Kirche
Die Orte, die sich ihrer Verortung im Pastoralen Raum auf diese Weise vergewissert haben, entsenden je eine Vertretung in die Vollversammlung der Orte von Kirche im Pastoralen Raum, die in der Regel einmal jährlich tagt.
Die vorliegende Rahmenordnung tritt zum 1. August 2024 in Kraft und wird drei Jahre nach ihrer Inkraftsetzung überprüft und ggf. angepasst.